Additive Bias beschreibt die Tendenz, bei der Lösung von Problemen oder der Verbesserung von Systemen, eher etwas hinzuzufügen als bestehende Dinge zu entfernen oder zu vereinfachen. Dieses Phänomen tritt häufig sowohl in persönlichen Entscheidungen als auch in organisatorischen Prozessen auf.
Beispiele für Additive Bias:
- Produktentwicklung: Anstatt ein bestehendes Produkt zu verbessern oder zu vereinfachen, werden oft zusätzliche Features oder Funktionen hinzugefügt, die es komplexer und schwerer zu bedienen machen.
- Arbeitsprozesse: In Unternehmen werden häufig neue Regeln, Prozesse oder Kontrollen eingeführt, um Herausforderungen zu begegnen, anstatt veraltete oder ineffiziente Verfahren zu streichen.
- Persönliches Umfeld: Wenn Menschen ihre Lebensweise verbessern wollen, neigen sie dazu, neue Aktivitäten oder Gewohnheiten hinzuzufügen, anstatt alte oder unproduktive zu eliminieren.
Warum tritt Additive Bias auf?
- Einfache Denkweise: Es ist oft intuitiver, eine zusätzliche Maßnahme oder Lösung zu finden, anstatt sich die Mühe zu machen, bestehende Strukturen kritisch zu hinterfragen und zu entfernen.
- Soziale und kulturelle Normen: In vielen Umfeldern wird das Hinzufügen von Lösungen als aktives Handeln angesehen und belohnt, während das Entfernen oder Vereinfachen als Passivität wahrgenommen wird.
- Unterschätzte Komplexität: Das Entfernen oder Reduzieren erfordert oft ein tiefes Verständnis der bestehenden Systeme, was als komplexer und schwieriger wahrgenommen wird.
Negative Folgen des Additive Bias:
- Übermäßige Komplexität: Das ständige Hinzufügen von Prozessen oder Regeln führt zu einer unnötigen Komplexität, die Effizienz und Effektivität beeinträchtigen kann.
- Ressourcenverschwendung: Durch das Hinzufügen neuer Komponenten entstehen zusätzliche Kosten, sei es in Form von Zeit, Geld oder Arbeitskraft.
- Verminderte Innovationsfähigkeit: Überkomplexe Strukturen können Innovation behindern, weil Flexibilität und Anpassungsfähigkeit eingeschränkt werden.
Probleme durch Additive Bias
1. Überkomplexität und Ineffizienz
- Problem: Neue Regeln, Prozesse oder Projekte führen oft zu zusätzlicher Bürokratie und mehr Komplexität. Die Mitarbeitenden müssen mehr Aufgaben bewältigen und mehr Anforderungen erfüllen, was die Effizienz verringert und Entscheidungsprozesse verlangsamt.
- Beispiel: Wenn immer neue Prozesse hinzugefügt werden, ohne alte zu streichen, verkomplizieren sich Arbeitsabläufe und die Produktivität sinkt.
2. Ressourcenverschwendung
- Problem: Durch den additive Bias werden Ressourcen wie Zeit, Geld und Arbeitskraft für immer neue Projekte verwendet, ohne den Nutzen kritisch zu hinterfragen. Dies kann zu unnötigen Kosten führen.
- Beispiel: Wenn ein Unternehmen kontinuierlich neue Abteilungen oder Teams für spezielle Aufgaben schafft, steigt der Verwaltungsaufwand und Ressourcen werden ineffizient genutzt.
3. Verminderte Mitarbeiterzufriedenheit
- Problem: Eine steigende Anzahl von Aufgaben, Vorschriften und Projekten kann zu Überlastung und Stress bei Mitarbeitenden führen. Dies senkt die Motivation und Zufriedenheit.
- Beispiel: Mitarbeitende fühlen sich überfordert, wenn sie ständig neue Verantwortlichkeiten übernehmen müssen, ohne dass alte Aufgaben wegfallen.
4. Innovationshemmung
- Problem: Zu viele Prozesse und Regeln behindern oft kreative Lösungen und flexible Anpassungen. Der Fokus liegt dann auf der Verwaltung des Bestehenden anstatt auf der Schaffung von Neuem.
- Beispiel: Wenn jede Idee in eine zusätzliche Regel oder ein neues System mündet, wird Innovation durch Bürokratie erstickt.
Lösungsansätze gegen den Additive Bias
- Regelmäßige Überprüfung und Entschlackung von Prozessen: Unternehmen sollten regelmäßig ihre Prozesse, Regeln und Projekte evaluieren und kritisch hinterfragen, welche davon überflüssig geworden sind. Das Entfernen veralteter oder ineffizienter Abläufe schafft Platz für Wesentliches.
- Kosten-Nutzen-Analyse bei neuen Initiativen: Bevor neue Projekte oder Regeln eingeführt werden, sollten Unternehmen systematisch den Mehrwert und die potenziellen Nachteile abwägen. Eine gezielte Kosten-Nutzen-Analyse kann helfen, unnötige Ergänzungen zu vermeiden.
- Bewusstsein für den Additive Bias schaffen: Führungskräfte und Mitarbeitende sollten über den Additive Bias informiert sein und lernen, diesen zu erkennen. Ein gemeinsames Bewusstsein für diese Tendenz hilft, sinnvolle Ergänzungen von unnötigen Unterscheidungen zu trennen.
- Förderung einer Kultur der Vereinfachung: Anstatt ständig Neues hinzuzufügen, sollten Unternehmen eine Kultur der Vereinfachung fördern, bei der die Reduktion und Fokussierung auf das Wesentliche im Mittelpunkt steht.
- „Subtractive“ Lösungen bevorzugen: Bei Problemen oder neuen Anforderungen sollten Führungskräfte überlegen, ob durch die Entfernung bestehender Elemente eine Lösung gefunden werden kann. Eine einfache Frage wäre: „Wie können wir dieses Ziel erreichen, indem wir etwas weglassen anstatt hinzuzufügen?“
Diese Ansätze helfen Unternehmen, den additive Bias zu minimieren und eine schlanke, effiziente und anpassungsfähige Organisation zu bleiben.
Anregungen zum Weiterlesen:
Adams, G. S., Converse, B. A., Hales, A. H., & Klotz, L. E. (2021). People Systematically Overlook Subtractive Changes. Nature, 592(7853), 258-261. https://doi.org/10.1038/s41586-021-03380-y
Klotz, L. (2021). Subtract: The Untapped Science of Less. Flatiron Books
Jones, J. (2017). The Overload Problem: Why We Keep Adding to Our Lives and How to Stop. Harvard Business Review.
Kahneman, D. (2011). Thinking, Fast and Slow. New York: Farrar, Straus and Giroux.
Mankins, M. C., & Garton, E. (2017). Time, Talent, Energy: Overcome Organizational Drag and Unleash Your Team’s Productive Power. Harvard Business Review Press.
Levitt, S. D., & Dubner, S. J. (2014). Think Like a Freak. William Morrow.